Multiplikation von vorhandenem Wissen
Eine professionelle und zielgerichtete Personalentwicklung in dieser Größenordnung ist zeit- und damit kostenaufwendig. Insbesondere für kleinere Unternehmen sind die damit verbundenen finanziellen Aufwände, oftmals kombiniert mit fehlenden Expert*innen im Bereich der beruflichen Bildung, eine große Herausforderung.
Mit internen Skill-Akademien lässt sich die Einbettung von Reskilling-Initiativen in ein strategisches Kompetenzmanagement abbilden und zugleich eine skalierbare Lösung erzielen.
Im Gegensatz zur klassischen Vorgehensweise der Personalentwicklung, in der eine hoch spezialisierte Abteilung oder ein Center of Expertise organisationsweite Programme entwickelt und meist mit Unterstützung externer Trainingsanbieter ausrollt, setzt die interne Skill-Akademie auf eine Multiplikation von bereits vorhandenem Wissen im Unternehmen.
Als kleine zentrale Organisationseinheit orchestriert sie den dezentralen Lernprozess durch identifizierte und in unterschiedlichen Bereichen lokalisierte (fachliche) Skill-Expert*innen. Ziel ist es, die Wissensvermittlung nicht als Aufgabe einzelner Learning Professionals zu betrachten, sondern sie in der ganzen Organisation zu verankern und zugleich effizient und kostengünstig zu gestalten.
„Inhouse Academies“ sind kein neues Konzept. Seit Ende der 1990er-Jahre übernahmen vor allem große Unternehmen in Deutschland den aus den USA stammenden Ansatz der „Corporate University“ und ergänzten ihre Personalentwicklung durch eine „University“ oder „Academy“. Im Kontext der sich verstärkenden Globalisierung und technologischer Veränderungen wurde schon vor Jahren die Notwendigkeit des lebenslangen Lernens und einer stärkeren Verzahnung von Personal- und Unternehmensentwicklung erkannt sowie die Integration von Lernprozessen in den Arbeitsalltag angestrebt.
Das Konzept der internen Skill-Akademie führt diese Gedanken weiter, nimmt aber aufgrund der anfangs beschriebenen Veränderungen in zahlreichen Tätigkeitsprofilen nicht nur die Qualifizierung einzelner Gruppen (z. B. Nachwuchsführungskräfte) in den Blick, sondern die aller Mitarbeitenden. Zudem erfolgt die Entwicklung und Bereitstellung der Weiterbildungsmaßnahmen in erster Linie über interne Expert*innen und nur in Ausnahmefällen über externe Partnerfirmen.
Schließlich eröffnet die Einbindung von Lernmanagementsystemen und Skill-Plattformen ganz neue Möglichkeiten digitalen Lernens.
Konzeption und Umsetzung der Skill-Akademie
Der Aufbau einer internen Akademie ist kein einfaches Unterfangen. Zunächst müssen die organisatorische Verankerung und die personelle Ausstattung geklärt werden. In Abhängigkeit von der Unternehmensgröße kann eine interne Skill-Akademie zum Beispiel in der Personalabteilung oder direkt bei der Unternehmensleitung verortet werden. Im Kontext agiler Organisationsstrukturen bietet es sich an, die unterschiedlichen Anforderungen der Akademie in der personellen Besetzung zu berücksichtigen. So sollte die kleine Einheit, die aus einer oder mehreren Personen bestehen kann, sowohl die Schnittstellen zur Führungsebene, Personalentwicklung als auch zu den Fachbereichen gestalten können.
Die Konzeption und Implementierung der „internen Skill-Akademie“ orientiert sich an vier verschiedenen Perspektiven: Die strategische Perspektive gewährleistet die Anbindung der benötigten Skills an die übergeordnete unternehmerische Entwicklung und Steuerung. Die Trainingsperspektive sorgt für eine qualitativ hochwertige Erstellung von Trainingsmaterialien und Abdeckung aller relevanten Skill-Bedarfe. Die Lernperspektive konzentriert sich auf die Einbettung der Skill-Entwicklung aus Sicht des Lernenden innerhalb der Organisation und beinhaltet beispielsweise die Einbindung digitaler Lernsysteme. Im Rahmen der Ergebnisperspektive werden der erreichte Lernfortschritt gemessen und die Auswirkungen auf das gesamte Unternehmen analysiert.
Strategische Ableitung von Trainingsbedarfen
Zentral für den Erfolg einer internen Skill-Akademie ist die Definition eines Skill-Sets, das die organisationsspezifischen Anforderungen und die strategische Ausrichtung des Unternehmens abbildet. Die Identifikation und Priorisierung der individuellen Skill-Bedarfe basiert auf einer Jobarchitektur, die alle in einem Unternehmen vorhandenen Tätigkeiten (Jobs) in eine (meist globale) Hierarchie einordnet. In der Regel werden diese nach Jobfamilien und -funktionen organisiert und in Abhängigkeit vom Ausmaß der benötigten Fähigkeiten, Erfahrung und Verantwortung einem bestimmten Job-Level zugewiesen.
Ein direkter Link zwischen diesen job- oder rollenspezifischen Anforderungsprofilen und der für die Erfüllung der Tätigkeit benötigten Skills und ihrer Ausprägung schafft für alle Mitarbeitenden einer Jobfamilie (im HR-Bereich z. B. Recruiter) ein einheitliches und vergleichbares Skill-Fundament. Darüber hinaus wird es für sie nachvollziehbarer, weshalb sie über bestimmte Skills verfügen sollen.
Die Basisprofile können individuell mit themen- oder aufgabenspezifischen Skills angereichert werden (z. B. IT-Recruiting). Die benötigten Skills der einzelnen Jobfamilien werden mit einer eindeutigen Erwartung an das benötigte Skill-Level definiert. Dadurch ergibt sich eine klare Beschreibung des Soll-Zustands der Skill-Ausprägung für jedes Profil.
Der Ist-Zustand dieser Skill-Ausprägungen der individuellen Mitarbeitenden, zum Beispiel in der Jobfamilie „Recruiter“, wird durch Eigen- und/oder Fremdbewertung evaluiert. Basierend auf den Bewertungen werden die Diskrepanzen zwischen Ist-Zustand und den erwarteten Skill-Profilen identifiziert und somit Trainingsbedarfe abgeleitet. Dies erfolgt idealerweise über die Anbindung eines Lernmanagementsystems (LMS) mit Skill-Verwaltungsfunktion. Der Akademieansatz ermöglicht somit, eine klassische Gap-Analyse in einen softwareunterstützten Skill-Management-Ansatz zu integrieren.
Formales Lernen in Trainings
Während Skill-Management auch andere Anwendungsfelder wie Recruiting und Staffing berücksichtigen kann, konzentriert sich die interne Skill-Akademie vorrangig auf die Personalentwicklung. Im Vordergrund stehen zum einen die Identifikation und Erstellung geeigneter Lerninhalte und zum anderen eine einfache und adressatengerechte Ausspielung dieser an interessierte Lernende.
Durch die Identifikation und Einbindung interner Skill-Expertinnen kann die Verantwortung für Trainingsinhalte dezentral in der gesamten Organisation verankert werden. Die Skill-Expertinnen identifizieren bereits existierende Materialien, selektieren passende externe Trainings und erstellen noch fehlende (vorrangig unternehmensspezifische) Lernelemente. Aufgrund der oftmals nicht vorhandenen didaktischen Vorerfahrung sind zentral durch die Akademieeinheit zu erstellende Vorgaben und (methodische) Unterstützungsleistungen wie initiale Onboarding-Workshops hilfreich.
Um Skalierbarkeit und unternehmensweite Verfügbarkeit der erstellten Trainings zu gewährleisten, bieten sich in der Regel überwiegend digitale (interaktive) Trainingsformate an. Diese haben den Vorteil, dass sie in der Durchführung kostengünstig und für die Lernenden zeit- und ortsflexibel aufrufbar sind.
Eine intelligente Verknüpfung von individuellen Skills, kuratierten Inhaltsstrukturen sowie automatisierten Vorschlägen passender Lerninhalte über das LMS unterstützt die Lernenden bei der Identifikation und Auswahl von Trainings. So findet beispielsweise ein Recruiter auf den ersten Blick relevante Trainings in seinen relevanten Skill-Bereichen. Neueste LMS-Prozesse basieren bereits auf KI-gestützten Verfahren, um eine optimale Übereinstimmung von Lerninhalten und Lernenden zu erzielen (Aldahwan / Alsaeed 2020).
Durch Integration des LMS in bestehende Personalprozesse des Unternehmens, zum Beispiel die Erstellung von Entwicklungsplänen oder -gesprächen zwischen Mitarbeitenden und Vorgesetzten, steigen die strukturelle Verankerung und damit auch Traktion und Erfolg der internen Skill-Akademie.
Lernmonitoring zur ganzheitlichen Steuerung
Sowohl die strukturelle Verankerung als auch die Anwendung des Gelernten selbst sollten im Sinne der Lernerfolgssteigerung bestmöglich begleitet werden. Es bedarf einer ständigen Analyse der Trainingsaktivitäten und Akademiemaßnahmen, um die kontinuierliche Weiterentwicklung der Lernangebote auf eine belastbare Basis zu stellen.
Erfolgskritisch sind hier vor allem zwei Faktoren: die direkte (und automatisierte) Anknüpfung an Aktivitäten auf der Lernplattform sowie die Messung der tatsächlichen Trainingserfahrung und der Auswirkungen auf die jeweilige Skill-Entwicklung.
Ersteres beinhaltet beispielsweise prozessuale Faktoren wie Aufrufhäufigkeit, Abschlussquote oder Durchschnittsdauer von Trainings, die indirekte Rückschlüsse über die Attraktivität und Konsistenz der Lernerfahrung geben können. Letzteres bezieht sich auf die von Kirkpatrick / Kirkpatrick (2006) definierten Dimensionen „Reaktion“, „Lernen“, „Verhalten“ und „Resultate“.
Um diesen Erkenntnisgewinn auch in eine tatsächliche Verbesserung der Lernerfolge umzusetzen, sind eine zeitnahe Identifikation möglicher Lernbarrieren, ein enger Austausch mit den jeweiligen Trainingsverantwortlichen sowie eine mögliche Unterstützung bei der Optimierung von Trainings notwendig.
Weiterverwendung gewonnener Daten
Im Vergleich zu klassischen Personalentwicklungsansätzen verbirgt sich im digitalen Management der Lerninhalte und -aktivitäten ein weiteres Potenzial: die strategische Verwendung der generierten Akademiedaten.
In Kombination mit vorhandenen Informationen aus anderen HR-Tätigkeitsfeldern und Unternehmensbereichen können weitere relevante Erkenntnisse und sogar direkte strategische Implikationen zur optimierten Entscheidungsfindung abgeleitet werden. Typische Anwendungsfelder sind die strategische Personalplanung, die Unterstützung von horizontalen Versetzungen und Rotationen sowie eine bessere Quantifizierung zukünftig benötigter Einstellungs- beziehungsweise Upskilling-Aufwände.
Diese Daten können für langfristige Personalmanagement-Entscheidungen herangezogen werden. Durch interdisziplinäre Verknüpfung dieser Daten wird ein Grundstein für die Steuerung der skillorientierten Organisation gelegt. Beim Umgang mit personenbezogenen Daten sind in diesen Auswertungen Vorgaben des Datenschutzes und eventuelle Mitgestaltungsrechte der Arbeitnehmervertretung zu beachten.
Fazit
In der heutigen dynamischen Welt, die durch Innovationsdruck und schwer zugängliche Kompetenzen geprägt ist, stiftet der Aufbau einer internen Skill-Akademie in mehrfacher Hinsicht Nutzen für Organisationen, die unternehmensspezifisch kollektives Up- und Reskilling betreiben möchten.
Integriert auf einem zentralen LMS und dezentral durch Skill-Expert*innen innerhalb der Organisation mit Trainingsinhalten gefüllt, bietet sie eine strukturierte und gleichzeitig flexible Herangehensweise für das Up- und Reskilling an. Die zentrale Akademieeinheit unterstützt nicht nur bei der tatsächlichen Trainingserstellung, sondern sorgt auch für die Betreuung des Lernnetzwerks und die Verankerung der Personalentwicklung im Unternehmen.
Der iterative und auf einem holistischen Skill-Management-Framework fußende Ansatz umfasst dabei vier Kernaktivitäten: Skillbasierte Priorisierung, die effiziente Erstellung und Durchführung relevanter Trainings, das kontinuierliche Monitoring und die Verwendung aussagekräftiger strategischer Erkenntnisse.
Dadurch können relevante Skills kontinuierlich weiterentwickelt werden. Ziel des internen Akademieansatzes ist vor allem das breite Anheben des Niveaus zentral priorisierter und in einzelnen Jobfamilien besonders relevanter Skills.
Aufgrund der spezifischen Herausforderungen im Rahmen der Konzeptionierung und Implementierung eines Entwicklungsframeworks für die gesamte Belegschaft ist im Vorfeld eine genaue Prüfung der verfügbaren Fähigkeiten und Kapazitäten notwendig. Gegebenenfalls sollte auf externe Partner zurückgegriffen werden.
Darüber hinaus erhalten Personalverantwortliche durch dieses Vorgehen wertvolle Einblicke in die Entwicklung der Mitarbeitenden und können fundierte strategische Entscheidungen treffen. Kombiniert mit weiterführenden People-Analytics-Maßnahmen bieten sich spannende Ergänzungsmöglichkeiten zur Optimierung des gesamten organisatorischen Verhaltens.
Dieser Ansatz verspricht nicht nur die Bewältigung akuter Trainingsanforderungen, sondern auch eine Möglichkeit der skillorientierten, nachhaltigen Weiterentwicklung des Unternehmens.